Zum Tod von Klaus Wilpert
Unser hochgeschätzter ehemaliger Kollege Klaus Wilpert ist im stattlichem Alter von 86 Jahren, aber dennoch überraschend, am 5. August verstorben. Er hinterlässt seine Gattin Helga, seinen Sohn Jochen, seine Töchter Ursula und Karen, sowie acht Enkelkinder.
Die Nachricht hat uns seither sehr umgetrieben. Denn Klaus Wilpert war, obwohl bereits seit Oktober 2001 im Ruhestand, vielen im Sprachenzentrum noch sehr präsent und allseits beliebt. Er hat das Sprachenzentrum seit seinen Anfängen mitgeprägt, neben seiner vielfältigen und kompetenten fachlichen Arbeit auch als akribischer Bildchronist und – so wird sich immer noch erzählt – als inspirierender Impresario von Feierlichkeiten und sonstigen extrakurrikularen Ereignissen. Weit über seine eigene Amtszeit hinaus hat er uns immer noch besucht – zuletzt am 24.7. beim Semesterabschluss der Abteilung Medien. Seine Gattin berichtet mir, zum Sommerfest war er leider verhindert, weil er den Auftritt seiner Enkel auf der Landshuter Hochzeit nicht verpassen durfte, aber eigentlich wäre er fast lieber zum Sprachenzentrum gekommen…
Es ist sicher kein Zufall, dass Klaus Wilpert die Vielfalt und das bunte Miteinander am Sprachenzentrum so sehr geschätzt und mitgeprägt hat, war ihm das Interkulturelle doch gewissermaßen in die Wiege gelegt: Er wurde 24.9.1936 in Tsingtau, China, geboren und wuchs die ersten 14 Lebensjahre in Shanghai auf. Er bezeichnete dies immer als Glücksfall: Nicht nur waren die Kriegswirren dort lange nicht so massiv zu spüren, sondern er wuchs auch einige Jahre zusammen mit englischen, französischen und dänischen Kindern auf – hier Spielgefährten, in Europa Kriegsfeinde. Nach einer durchaus turbulenten Rückkehr und den ersten Jahren im kriegszerstörten Deutschland machte er sein Abitur, studierte u.a. Englisch/Französisch auf Lehramt und legte nach dem Referendariat 1966 sein zweites Staatsexamen ab. Seine Wartezeit bis zur Einstellung als Gymnasiallehrer verbrachte er eigentlich nur vorübergehend mit einem Deutschkurs für französische Studierende in Erlangen – und sollte die FAU die nächsten 35 Jahre nicht mehr verlassen.
Anfangs noch für Deutsch als Fremdsprache in der PhilFak II zuständig, übernahm er im 1970 am neu gegründeten Sprachenzentrum die Funktion des Leiters der Abteilung Sprachlabor, später Medien und Archiv, inzwischen Medien und Autonomes Lernen. Und obwohl man damals noch nicht von ‘Autonomem Lernen’ sprach, war Klaus Wilpert einer dessen entschiedensten Vorreiter. Neben der Entwicklung von Selbstlernmaterialien für viele Sprachen, Fertigkeiten und Niveaus konzipierte er sog. ‘Medienverbundkurse’ – Intensivkurse, bei denen sich Instruktion, Selbststudium, tutorielle Einübung, Sprachlaborübungen und kulturelle Aktivitäten abwechselten, und somit auch lange Kurstage nicht ermüdeten, sondern effizient genutzt wurden. Er verstand es, die verschiedenen Lern- und Übungsmodi am besten zu komplementieren, und verfeinerte die Kurse über die Jahre zunehmend, so dass sie am Ende erfolgreicher waren als die traditionellen Semesterkurse. Die Technik in seiner Abteilung war für Klaus Wilpert nie Selbstzweck, sondern Medium zu individualisiertem Kontakt mit Sprache oder zur selbstgesteuerten Einübung. Als ich die Abteilung schließlich 2002 übernehmen durfte, war ich mehr als beeindruckt vom Reichtum und der Durchdachtheit der Materialien. Es sprang einen förmlich an: Da war ein akribischer, fleißiger, intelligenter Mensch am Werk gewesen.
Neben der Medien-/Sprachdidaktik und Materialentwicklung galt Klaus’ begeisterte Aufmerksamkeit seinen Studierenden: Über lange Jahre fotografierte er – was heute den Beißreflex beflissener Datenschützer auslösen würde – seine Kurse … um die Namen der Studierenden auswendig lernen zu können! Seine besondere Vorliebe galt der Förderung internationaler Studierender in deutscher Aussprache. Er tat dies damals in Einzelgesprächen anhand der Diagnostik von Dutzenden zuvor analysierter Aufnahmen. (Der Schreiber kann beim besten Willen nicht sagen, ob er seine eigenen Pronunciation Profiles ohne die Kenntnisse der Wilpertschen Dossiers so hätte entwerfen können.) Die Zahl der jungen Menschen, deren Aussprache und Sprachbiografie Klaus Wilpert beeinflusst hat, muss wohl in die Tausende gehen. Seine ganze Haltung und sein Engagement zeigen: Es war ihm ein Anliegen, der Sache, im Wortsinn, zu dienen.
Viel bliebe noch über Klaus Wilpert zu sagen – von seinem Engagement in der English Dramatic Society bis hin zu Sprach- und Ausspracheunterricht für indische Priester in der katholischen Kirche u.v.m. – aber ich denke mir, es hat ihm am meisten bedeutet zu wissen und zu merken, wie sehr er an seinem geliebten Sprachenzentrum seinerseits geschätzt wurde. Das eine oder andere freundliche Kompliment, wie Dinge auch nach seinem Weggang laufen, wiegen besonders stark, wenn man weiß, wie sehr ihm immer noch daran gelegen war. Wir verlieren mit ihm einen loyalen, herzlichen, blitzgescheiten Kollegen und einen bescheidenen, freundlich begleitenden Grandseigneur des Sprachenzentrums.
Es ist uns eine Ehre, Dich gekannt zu haben, lieber Klaus, und an der Institution weiterzubasteln, der Du so viel Herzblut geschenkt hast.
Gunter Lorenz mit der SZ-Familie